Mittwoch, 8. Juni 2022

Von Bootsfahrten, gestohlenen Kunstobjekten und aufkommender Ferienstimmung

Hallo Leute!

Nun ist schon wieder ein Monat wie im Fluge vergangen und ich erwische mich immer öfter dabei, wie ich die Zeit rückwärts zähle. Bald sind es „nur“ noch zwei Monate, die ich in Benin verbringen werde, und es ist gefühlt noch sooooo viel geplant. Was möchte ich wem von hier mitbringen? Wie werden die ersten Wochen in Deutschland werden? Was möchte ich noch tun, bis wir im August ausreisen? Wie mag der Abschied von den Kindern, Maman und all den anderen Leuten vor Ort werden?

Zu viele Fragen, auf die es noch keine Antworten gibt, welche mich aber trotzdem immer wieder sehr nachdenklich stimmen, wenn ich anfange, etwas länger darüber nachzudenken. So gestaltet sich der Versuch, im Hier und Jetzt zu bleiben und meine verbleibende Zeit hier so gut wie möglich zu nutzen, immer wieder aufs Neue schwierig. Gelangweilt haben wir uns im letzten Monat auf gar keinen Fall und so gab es genug andere Dinge drumherum, die für Ablenkung sorgten.

Ich muss gestehen, dass es mich immer eine ziemliche Überwindung kostet, einen ruhigen Moment zu finden, um von meinen Erlebnissen zu berichten. Man hat immer das Bedürfnis, ALLES zu erzählen und ein möglichst detailliertes Bild zu vermitteln. Aus der Erfahrung bei den letzten Einträgen heraus kann ich diesen Anspruch aber heute ablegen und beschränke mich auf die Highlights der letzten Wochen.


Maman freut sich über ihr Muttertagsgeschenk

Während ich im letzten Blogeintrag viel über meine Arbeit hier im CAPE erzählt habe, gibt es dieses Mal bezüglich dieses Themas nicht viel zu berichten. Es hat sich nämlich eine gewisse Arbeitsroutine bei Sarah und mir eingestellt, die gut funktioniert und unseren Tagen Struktur gibt. Die nächsten Wochen werden allerdings nochmal spannend, weil die Kids ihre Abschlussprüfungen haben. Bis auf die zwei Fünftklässlerinnen Maridiath und Ruth, die schon diese Woche ranmüssen, bleiben die anderen nun von Montag bis Freitag zu Hause. Mit ihnen haben wir also Zeit, noch ein paar Dinge zu wiederholen oder Unklarheiten zu beseitigen. Ja, so langsam wird das Haus unter der Woche wieder voller und die großen Sommerferien rücken immer näher. Das ist einerseits ein schönes Gefühl, weil man viel mehr Zeit für die Kinder findet und Projekte starten kann. Andererseits ruft es mir aber auch wieder einmal das absehbare Ende ins Gedächtnis und bestärkt den Wunsch, diese Zeit bestmöglich zu nutzen!

Damit begannen wir schon letzten Monat ziemlich gut, wie ich finde. Fast jedes Wochenende waren wir unterwegs und sahen auch noch ein paar andere Ecken von Pobè, was echt cool war. Auch wenn ich gemerkt habe, dass unser Alltag mit den späten Lecons und dem am Tag über Zeit haben mit dem Alltag von vielen anderen Menschen vor Ort nicht unbedingt vereinbar ist. Das sorgte in punkto Zeitmanagement für einigen Stress, der sich rückblickend aber auch echt gelohnt hat.

Unter anderem waren wir an einem Wochenende in Porto Novo bei der Direktorin der ONG. Wir konnten in der Zeit unsere Mitfreiwilligen dort besuchen und waren am Samstag in Cotonou, um eine ganz besondere Ausstellung im Präsidentenpalast zu besuchen. Ausgestellt wurden 26 Kunstschätze, welche am 17. November 1892 von französischen Truppen aus dem Königspalast in Abomey im ehemaligen Königreich Danxomè (in großen Teilen das heutige Benin) geraubt und nach Frankreich mitgenommen wurden. Anschließend erklärte Frankreich das Gebiet zur Kolonie Dahomey, welche 1960 ihre Unabhängigkeit erlangte. Trotz mehrerer Forderungen nach Rückgabe der Kunstgegenstände, musste die beninische Regierung bis zum 9. November letzten Jahres warten, an dem ein Vertrag zwischen den Staatschefs Macron und Talon den Transfer der 26 Objekte am nächsten Tag offiziell beschloss. Zusätzlich zu den zurückgegebenen Kunstgegenständen konnte man zeitgenössische Werke vieler bekannter beninischer Künstler*innen ansehen, welche unter dem Thema „Kunst in Benin gestern und heute: Von der Restitution bis zur Offenbarung“ ausgestellt wurden. Ich habe durch unseren Besuch viel über das ehemalige Königreich Danxomè erfahren dürfen und fand auch die Werke einzelner Künstler*innen sehr bewegend.

Mit Besucherpass bewaffnet vor Beginn der Ausstellung

Der Präsidentenpalast von hinten

Sarah vor der Statue des "Fischermenschen", (halb Hai-halb Mensch) Symbol des letzten Königs von Dahomey Béhanzin

Zeitgenössische Kunst aus Benin: "La reine et sa cour"(2018) von Euloge Ahanhanzo-Elèlè

Am folgenden Wochenende wurde in Pobè das 5. Amtsjahr des aktuellen Königs groß gefeiert. Obwohl Könige kein politisches Mitspracherecht haben, spielen sie in der Gesellschaft eine wichtige Rolle und können Staatsdienern als Berater zur Seite stehen. Wer König wird entscheidet ein Orakel, welches von einer Art Priester zu dem Thema befragt wird. Der König muss jedoch einer der 6 lignées (Erbfolge) von Pobè entstammen. Wenngleich die Feier vielen anderen Feiern, die wir schon besucht hatten, glich (rumsitzen und essen), war es doch ganz interessant, den König zu sehen und an einem lokalen Event teilzunehmen.


Bei der fête du roi


Am letzten Sonntag im Mai fuhren wir dann nochmal nach Porto Novo, um uns dort von den beiden Freiwilligen aus Goro zu verabschieden. Die Einsatzstellenprobleme ließen sich nicht mehr so wirklich klären und so entschieden sie, ihre Heimreise jetzt schon anzutreten. Zusammen mit unserer Mitfreiwilligen aus Porto Novo und den Mädels besuchten wir den „Rivière Noire“ (übersetzt „schwarzer Fluss“), welcher in einem Nachbarort von der beninischen Hauptstadt liegt. Er führt bis nach Nigeria und gilt als heilig. Auf unserer Bootstour erzählte uns der Guide von den Heilpflanzen, die entlang des Flusses wachsen und die bis heute für die Beniner*Innen eine wichtige Rolle in der Bekämpfung von verschiedensten Krankheiten spielen. Ich fand den Ausflug besonders schön, weil der Ort so eine ruhige und friedliche Atmosphäre ausstrahlte, welche man in unserer Einsatzstelle nur selten vorfindet. Wahrscheinlich tat es mir deshalb auch so gut, mal den von vielen Geräuschen gefüllten Alltag kurz hinter sich zu lassen. Am Ende unseres Besuches konnten wir sogar noch bei der Herstellung von in der beninischen Musik häufig verwendeten Trommeln zusehen. Ein rundherum schöner Tag also, welcher nur vom Abschied der Mädels ein wenig getrübt wurde. 


Bootsfahrt auf dem Fluss
Hier dürfen wir dabei zusehen, wie ein Korb geflochten wird- ein weiteres Highlight unseres Besuches am Fluss!


Die ersten Junitage danach gingen spannend weiter. Am 1. Juni feierten wir ein wenig Kindertag. Eine Tradition, die für mich ganz normal war, Sarah allerdings eher unbekannt (wie wir herausfanden tatsächlich ein Ost-West-Ding). Zusammen mit Maman machten wir aus Süßkartoffeln, die wir zuvor von einem Bekannten geschenkt bekommen hatten, ein Ragout für die Kinder. Zusätzlich bekam jede*r eine selbst gemixte Nussmischung zusammen mit einem kleinen Geschenk. Die Mädels freuten sich sehr über ihre Ohrringe und auch die Jungs waren mit ihrem Kakaopulver zufrieden.

Letztes Wochenende war dann ein ganz besonderes: mein erster Geburtstag weit weg von Zuhause! Da Sonntag war und damit die Kids in der Kirche, konnte ich am Vormittag in Ruhe mit meiner Familie telefonieren und das Paket von ihnen auspacken, welches uns mit Muffins, Geburtstagskerzen und einer Girlande einen festlichen Brunch mit richtiger Geburtstagsatmosphäre bescherte. Weil Pfingstsonntag war, gab es zum Mittag Reispâte mit Tomatensauce und Sojakäse, welchen wir zusammen mit den Kids genießen konnten. Dazu bekam jede*r ein Getränk von uns, was zur Festtagsstimmung beitrug. Am Nachmittag machten wir zusammen mit den Kindern „Arme Ritter“- wider Erwarten ein voller Erfolg! Danach sangen die Kids für mich ein Ständchen und ließen mich hochleben. Am Abend gingen wir dann mit unserem Mentor in einem Restaurant essen. Ein rundum gelungener Geburtstag also, den viele liebe Menschen mit vielen netten Wünschen zu einem für mich ganz besonderen gemacht haben und an den ich heute noch gern zurückdenke.

Mit der Energie dieses schönen Tages bin ich auch in diese Woche gestartet und freue mich auf die nächsten Tage, welche wohl auch nochmal ein wenig anstrengend werden. Ich versuche, optimistisch zu bleiben und nicht zu sehr ins Grübeln zu verfallen…

Bis bald und Odabo aus Benin!

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